Die Meisner-Technik und Improvisationsschauspiel

Kürzlich bin ich auf einen Podcast der „Affirmative“ gestoßen, der sich intensiv mit der Meisner-Technik und ihrer Relevanz im Improvisationsschauspiel auseinandersetzt. Der Podcast, übrigens sehr zu empfehlen, hebt die Herausforderungen beim Verständnis und der Anwendung dieser Technik hervor, wobei mögliche Schwierigkeiten auch aus Missverständnissen resultieren könnten. An dieser Stelle möchte ich zu einigen Aussagen Stellung beziehen. Polemik ist beabsichtigt, jedoch wird sie nicht übermäßig angewendet.

Ist die Meisner-Technik überhaupt auf Impro anwendbar?

Absolut. Bühnenarbeit bedeutet für mich immer Bühnenarbeit, unabhängig von der Disziplin. Der Ausdruck muss in beiden Bereichen stark und glaubwürdig sein. Natürlich bestehen erhebliche Unterschiede zwischen formalem Spiel und Improvisation, aber Meisners Technik fördert durch die im Podcast gut beschriebene Repetition-Übung den Ausdruck durch Mimik und Gestik, Tonalität und Spannung zwischen den Spielenden. Die Repetition mag zunächst zäh und langweilig erscheinen, gerade weil keine Story oder Texte vorgegeben sind, dennoch fördert sie die Präsenz des Gegenübers durch das konsequente Abarbeiten von Impulsen – sowohl inneren als auch vom Gegenüber. Eine erfolgreiche Übung entsteht durch die Fähigkeit, einzig durch den Kontakt zwischen den Spielenden Energie und interessantes Bühnenleben zu erzeugen, ohne auf vorher festgelegte Geschichten oder Ideen des Publikums zurückzugreifen.

Kann ich Meisner auf der Bühne „zeigen“?

Nein. Meisner ist keine Bühnenformat, sondern eine Technik, die schauspielerisches Verhalten nachhaltig verändert. Formate zeichnen sich durch klare Strukturen aus, die bereits durch ihr Grundsetup Komik erzeugen oder ein klar zu erfassendes Problem aufzeigen. Im Gegensatz dazu ist Meisner ein Training, das ein neues schauspielerisches Verhalten etabliert und somit im Hintergrund wirkt, ohne auf der Bühne sichtbar zu sein. Dadurch erfüllt sie auch eines der Grundgebote der Bühne: Handwerk darf nie sichtbar sein. Nur wenn es fehlt, bemerkt man es sofort.

Repetition ist total langweilig

Die Übungen mögen im Laufe des Trainings durch den systematischen Aufbau eine ähnliche Struktur erhalten, jedoch wird die Vielfältigkeit nicht durch eine interessante Game-Struktur erzeugt, sondern durch die Art und Weise, wie die Teilnehmenden die Beziehung und den unvermeidlichen Konflikt durchleben. Hierbei entscheidet das Commitment des Einzelnen über die Qualität der Übung oder Szene.

Es geht immer nur um Konflikt

Genau wie im Leben dreht sich auch im Schauspiel alles um Konflikte. Auch wenn wir sie im echten Leben oft vermeiden wollen, sind sie elementar für das Leben auf der Bühne. Drama ist Konflikt ist Drama. Selbst in der Comedy geht es um tiefe innere Konflikte, die lediglich auf harmloser Ebene verarbeitet werden, um den Gesetzen der Comedy gerecht zu werden. Ironie ist eine Möglichkeit, mit inneren Konflikten umzugehen und sie unserer Seele schmackhaft zu machen. Schauspiel legt den Fokus wie keine andere Disziplin auf Konflikte und menschliche Abgründe. Meisner bietet eine ideale Chance, diese Konflikte authentisch zu durchleben.

Irgendwie ist jede Übung gleich und voller „Pathos“

Pathos entsteht durch übertriebene Vermittlung von zwischenmenschlicher Tiefe, die nur vorgetäuscht und nicht authentisch erlebt wird. Wenn jedoch alle Beteiligten mit vollem Commitment handeln und sich der Übung hingeben, tritt das Pathos in den Hintergrund. Es ist ohnehin ohne künstlerischen Wert. Meisners Übungen fördern die Kommunikation auf Basis von Beobachtungen und Impulsen. Es handelt sich um eine unmittelbare Auseinandersetzung mit dem Gegenüber, fördert die Fähigkeit, Konflikte auszuleben und Beziehungsstrukturen authentisch zu erkennen. Ein Workshop-Teilnehmer namens Paul Ziehmer hat dies treffend beschrieben, indem er nach einer sehr intensiven Übung sagte: „Genauso haben sich meine Eltern immer gestritten.“ Dies verdeutlicht das authentische Streben nach menschlichen Beziehungen, das die Meisner-Technik anstrebt.

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